Quantencomputing verstehen

Heute gibt es bereits Arbeitsmaschinen, die einen kleinen Teil der wichtigeren Aufgaben übernehmen, die in (baldiger) Zukunft Quantencomputer für uns erledigen werden. Somit bilden diese Prototypen bereits jetzt den Grundstein für die ersten echten Quantencomputer.

Quantencomputer werden sich völlig von dem Unterscheiden, was wir Menschen im Laufe der Geschichte je erfunden und gebaut haben. Aber was sind Quantencomputer eigentlich? Kann man sie in der echten Welt überhaupt sinnvoll einsetzen?
Schauen wir uns mal ein paar Details an, damit wir Quantencomputer ein bisschen besser verstehen und sehen können, wie Quantencomputer unsere Zukunft zum Besseren formen können.

Genau wie klassische Computer sollen auch Quantencomputer natürlich Probleme der echten Welt lösen. Allerdings manipulieren sie ihre Daten anders, was sie wesentlich effizienter macht als alle heute existierenden Computer. Was Quantencomputer von herkömmlichen Computern unterscheidet, lässt sich durch ein paar quantenmechanische Prinzipien erklären. Diese Prinzipien sind die Überlagerung und Quantenverschränkung.

Wenn es richtig ist, bedeutet es das Ende der Physik als Wissenschaft.

Albert Einstein

Überlagerung

Die Überlagerung bezieht sich auf die widersinnige Fähigkeit eines jeden Quantenobjekts, in mehr als einem “Zustand” gleichzeitig zu existieren. Nehmen wir zum Beispiel ein Elektron. Dieses Elektron kann in verschiedenen Zuständen gleichzeitig existieren, zum Beispiel in der niedrigsten Energieebene oder in der ersten angeregten Ebene eines Atoms. Wenn ein Elektron bereit ist, die beiden elektrischen Zustände zu überlagern, kann es sich mit einer geringen Wahrscheinlichkeit gleichzeitig in beiden Zuständen befinden. Dann kann es nicht eindeutig gemessen werden, ob es sich im höheren oder niedrigeren Zustand befindet.

Qubits, Überlagerung und Quantenbeschleunigung

Qubits sind die fundamentale Informationskomponente, die im Quantencomputing verwendet werden. Klassische Berechnungen verwenden Transistoren als Bits. Diese können entweder ein- oder ausgeschaltet sein, da sie den Zuständen 0 und 1 entsprechen. 0 und 1 beziehen sich in Qubits wie Elektronen auf die beiden Energieebenen, wie oben beschrieben. Qubits unterscheiden sich jedoch von den klassischen Bits, die entweder 0 oder 1 sein müssen, weil Qubits sich mit wechselnden Wahrscheinlichkeiten überlagern können. Das ist es, was sich die Quantenoperationen bei den Berechnungen zunutze machen.
Qubits sind Quantenteilchen, die in einer kalten Umgebung magnetisch geladen sind. Ihre Temperatur liegt nahe der absoluten 0K oder -273,15 °C. Es ist die Temperatur, welche diese Teilchen im Überlagerungszustand hält und es ihnen erlaubt, gleichzeitig als 0 (Null) und 1 (Eins) im Binärcode zu dienen.

Number of Qubits achieved by date and organization between 1998 and 2020
Number of Qubits achieved by date and organization between 1998 and 2020

Das ‘Paradoxon’ ist nur ein Konflikt zwischen der Realität und deinem Gefühl dafür, was die Realität ‘sein sollte’.

Richard FeynmanAmerikanischer Physiker (1918-1988)

Das ist der Ort, an dem die Magie der Quantencomputer geschieht. Alle Teilchen können unbestimmte Zustände annehmen, was zu etwas führt, das “Quantenbeschleunigung” genannt wird.
Aufgrund dieser Quantenbeschleunigung steigt die Rechenleistung jedes Qubits exponentiell an. Wenn dann genug Qubits in ein Rechengerät gepackt werden, kann fast jede existierende Computertechnologie von heute übertroffen werden.
Obwohl ein durchschnittlicher User vielleicht nicht mehr Rechengeschwindigkeit benötigt, als er bereits hat, verlassen sich Forscher bei der Verarbeitung großer Daten auf Prozessorleistung und Rechenzeit und würden etwas wie den “Quantenbeschleuniger” zu schätzen wissen.

Verschränkung

Verschränkung bezieht sich auf das Phänomen, Quantenentitäten so zu erschaffen und zu manipulieren, dass sie nur in Bezug auf andere Quantenentitäten beschrieben werden können. Es gibt keine individuellen Entitäten in der Existenz. Es ist schwierig, die Verschränkung zu konzeptualisieren, wenn man bedenkt, wie sie über große Entfernungen fortbestehen kann. Sobald ein Mitglied eines verschlungenen Paares gemessen wird, wird es sofort die Maße seines Partners bestimmen, was zu extremen Geschwindigkeiten führt.
Quantencomputer verlassen sich auf genau dieses Konzept zwischen Qubits und den Wahrscheinlichkeiten, die mit den Überlagerungen verbunden sind, um eine Reihe von Operationen durchzuführen, bestimmte Chancen zu erhöhen (die Möglichkeiten der richtigen Antworten) und die anderen sogar auf Null zu drücken (die Wahrscheinlichkeiten der falschen Antworten).
Sobald die Berechnung abgeschlossen ist und die abschließende Messung durchgeführt wird, gibt es eine maximale Wahrscheinlichkeit, die richtige Antwort zu erhalten. Die Nutzung dieser Verschränkungen und Wahrscheinlichkeiten unterscheidet Quantencomputer von klassischen Computern.

Die Geschichte des Universums ist in Wirklichkeit eine riesige und fortwährende Quantenberechnung. Das Universum ist ein Quantencomputer.

Seth LloydProfessor für Maschinenbau und Physik, MIT

Warum Quantencomputing?

Die Forschung im Bereich des Quantencomputings zielt darauf ab, einen Weg zu finden, den Prozess der Ausführung langer Ketten von Rechenanweisungen zu beschleunigen. Diese Art der Ausführung würde ein allgemein beobachtetes Phänomen der Quantenmechanik ausnutzen, das, wenn man es niederschreibt, nicht viel Sinn zu machen scheint.
Sobald dieses primäre Ziel des Quantencomputings erreicht ist und alles, von dem sich Physiker theoretisch sicher sind, funktioniert, wird das zweifellos das Computing revolutionieren.
Die mathematischen Probleme, die auf den heutigen Supercomputern tagelang berechnet werden müssen, könnten auf Quantencomputern in Sekunden gelöst werden.

Modelle des Klimawandels, Modelle der Fähigkeit des Immunsystems, Krebszellen zu zerstören, Schätzungen über die Möglichkeiten erdähnlicher Planeten in unserer beobachtbaren Galaxie und alle anderen höchst anspruchsvollen Probleme, mit denen wir heute konfrontiert sind, könnten plötzlich innerhalb einer Stunde oder so nach der Programmausführung Resultate erhalten.
Ja, diese Ergebnisse sind vielleicht nicht die vollständige Lösung, aber können sie uns Wahrscheinlichkeitstabellen für mögliche Lösungen und Antworten liefern. Die Berechnung dieser Wahrscheinlichkeiten ist bislang mit der Nutzung unserer leistungsfähigsten Computer noch unerreichbar.

Anwendungsmöglichkeiten für Quantencomputer

Gibt es nun überhaupt irgendwelche Bereiche, in denen Quantencomputer eingesetzt werden können? Welchen Zweck können Quantencomputer erfüllen, und wem werden sie nützen? Nun, hier sind einige mögliche Anwendungsbereiche für Quantencomputer.

Navigation

Heutige GPS-Systeme können nicht überall funktionieren. So funktionieren sie zum Beispiel unter Wasser überhaupt nicht. Quantencomputer brauchen Atome, die unterkühlt sind und in einem besonders empfindlichen Zustand schweben. Ausgehend davon arbeiten Wissenschaftler an der Entwicklung eines Quantenbeschleunigungsmessers, der sehr genaue Bewegungs- und Positionsdaten liefern könnte.
In dieser Hinsicht wurde eine große Initiative vom “Laboratoire de PhotoniqueNumérique et Nanosciences” in Frankreich ergriffen, wo man versuchte, eine einzigartige Hybrid-Komponente zu bauen, die einen klassischen und einen Quantenbeschleunigungsmesser verbindet und dann einen Hochpassfilter anwendet, um die klassischen Daten zu eliminieren und dabei nur die Quantendaten zurücklässt.
Als Ergebnis wird ein hochpräziser Quantenkompass geschaffen, der die Skalenfaktor-Drifts und Verzerrungen eliminiert, die üblicherweise mit gyroskopischen Komponenten verbunden sind. Quantenbeschleunigungsmesser benutzen die hochempfindliche Atominterferometrie, um die Beschleunigung entlang einer horizontalen Achse zu messen, mit Anwendungen in der Navigation ohne den Einsatz von orbitalen Satelliten.

Pharmazeutika

Um Krankheiten wie Alzheimer und verschiedene Sklerosen zu bekämpfen, wurde und wird immer noch viel geforscht. Wissenschaftler konnten sich bereits Software zunutze machen, die künstliche Antikörper und ihr Verhalten auf molekularer Ebene modelliert.
Eine neurowissenschaftliche Firma namens “Biogen” begann letztes Jahr eine Partnerschaft mit einem Quantencomputer-Forschungsunternehmen namens “1QBit” und einem IT-Beratungsunternehmen, um ein neues Modell der Molekularsimulation zu entwickeln, das auf klassischen Plattformen und auch auf Quantenplattformen von heute und morgen funktionieren könnte.

Seismologie

Die gleiche extreme Empfindlichkeit der Atome, die für die Navigation verwendet werden, könnte ausgenutzt werden, um Gas- und Ölvorkommen und jede damit verbundene seismische Aktivität aufzuspüren. Quantencomputer könnten effektiv Aktivitäten in Gebieten aufspüren, in denen die herkömmlichen Sensoren bisher nichts erforscht haben. Quantengravimeter können die Existenz von tief unter der Oberfläche verborgenen Objekten feststellen, indem sie jede Störung im Gravitationsfeld messen. Diese Art von Geräten praktisch und tragbar zu machen, wäre von unschätzbarem Wert für die Früherkennung und Vorhersage von Tsunamis und anderen seismischen Ereignissen.

Machine Learning

Es wurden viele Algorithmen für Machine Learning geschrieben und sowohl auf Papier als auch in Simulatoren gründlich getestet. Einige dieser Algorithmen können praktisch auf Quantencomputern eingesetzt werden, sobald ihre Kapazität irgendwann Tausende von Qubits bewältigen kann. Verfechter von Quantensystemen glauben, dass diese Systeme in der Lage sein könnten, Muster verschiedener Zustände in massiven, gleichzeitigen Wellen anstelle von aufeinanderfolgenden und sequentiellen Abtastungen zu lernen.
Die konventionelle Mathematik kann verschiedene mögliche Quantenergebnisse in Form von Vektoren in einem wilden Konfigurationsraum umschreiben. Sie kann jedoch nicht simulieren, wie diese Ergebnisse erreicht werden.

Verschlüsselung und Entschlüsselung

Der Grund dafür, warum Verschlüsselungscodes für heutige klassische Computer so schwer zu knacken sind, liegt darin, dass sie auf der Faktorisierung riesiger Primzahlen basieren. Es dauert viel zu lange, um sie mit “roher Gewalt” isolieren zu können.
Ein Quantencomputer wäre in der Lage, solche Faktoren innerhalb weniger Augenblicke zu isolieren und zu erkennen. Als Folge davon würde das RSA-Kodierungssystem praktisch obsolet werden. 1994 wurde der erste Quantenalgorithmus zur Faktorisierung verschiedener Werte entwickelt, der bereits erfolgreich von den Experimentatoren getestet wurde, die Quantenmaschinen mit niedrigen Quantenbits bauen. Das wurde jedoch bislang erst in relativ kleinen Mengen getestet.
Sobald die Quantensysteme mit großen Qubits erfolgreich gebaut sind, könnten sie in der Lage sein, die gesamte heute verwendete Kryptographie mit öffentlichen Schlüsseln obsolet zu machen.
Was die Verschlüsselung betrifft, so glauben einige, dass die Quantenschlüsselverteilung zumindest die theoretische Hoffnung birgt, dass die Quantenschlüssel die Arten von öffentlichen, - und privaten Schlüsseln ersetzen werden, die heute zur Verschlüsselung der Kommunikation verwendet werden. Theoretisch wird die verschlüsselte Nachricht sofort zerstört, falls ein Dritter versucht, die Verschlüsselung zu brechen.
Man darf jedoch nicht vergessen, dass die QKD-Theorie immer noch auf Annahmen beruht, die noch nicht in der Praxis getestet wurden. Nach dieser Annahme sind, die mit verschränkten Qubits erzeugten Werte ebenfalls verschränkt und zeigen die Quanteneffekte überall, wohin sie gehen.

Abschließende Worte

Quantencomputer haben das Potenzial, die Welt der Computer zu revolutionieren. Sie können einige Probleme lösen, die heute noch unlösbar scheinen. Obwohl es bis heute keinen Quantencomputer gibt, der so hoch entwickelt ist, dass er Berechnungen durchführen kann, die auf einem klassischen Computer nicht möglich sind (abgesehen von der Einschränkung der Zeit bis zur Lösung), sind auf diesem Gebiet bedeutende Fortschritte erzielt worden. Einige kleine Start-Ups und große Firmen verfügen beireits heute über funktionierende Quantencomputer, die mit ein paar Dutzend Qubits arbeiten. Die breite Öffentlichkeit kann sogar über die Cloud auf einige dieser Computer zugreifen. Darüber hinaus haben Quantensimulatoren auch Fortschritte in verschiedenen Bereichen gemacht, die von der Vielkörperphysik bis zur Molekular-Energie reichen.
In der Zukunft, wenn hochentwickelte Quantencomputer gebaut werden, könnten sich die Anwendungsmöglichkeiten von Quantencomputern auf eine große Anzahl von Disziplinen ausdehnen und diese zweifellos revolutionieren.

Autor

Andreas Maier, CEO

Andreas ist ein ergebnisorientierter CEO, der knapp 30 Jahre an Erfahrung in der Hightech-Branche mit sich bringt. Seine Führungsrollen in Fortune-100 Unternehmen wie bei rentalcars.com (PCLN) und Intrasoft International, einem führenden R&D 21 Softwareanbieter mit Sitz in der EU, verleihen ihm wertvolle Kompetenzen.
Er hält einen Doktortitel der Universität Köln im Fachbereich Neuronale Netze.
Andreas gründete und mitbegründete in seiner Karrierelaufbahn zahlreiche erfolgreiche Startups wie XXL Cloud, ein Cloud-Speicherdienst, der letztendlich von einem Wettbewerber übernommen wurde.